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Mehr Effizienz durch Verzicht – auf Effizienztips

Liebe Effizienzcoaches und Produktivitätsgurus,

es war schön mit euch (das ist jetzt gelogen, aber im Sinne der Effizienz, sonst kommen wir hier ja nicht weiter). Ihr habt immer so wunderbare Ratschläge für mich bereit gehalten wie:

  • Steh einfach 2 Stunden früher auf, dann hast du 2 Stunden mehr Arbeitszeit
  • Lies nur einmal die Woche Mails, das spart mindestens 10 Minuten pro Tag

und viele mehr. Das ganze gipfelt in der, in Gründerkreisen so unheimlich beliebten, Floskel:

Work hard

die an Unsinn nur noch durch den Slogan des Businesspunk-Magazins übertroffen wird:

Work hard, play hard.

Sehr berühmt ist auch das Buch “Seven habits of Highly Effective People” eures Bruders im Geiste Stephen Covey. Es handelt sich bei Covey um einen Mormonen (das alleine diskreditiert ihn für mich), der z.B. den Begriff der abundance mentality geprägt hat, die davon ausgeht, daß für alle genug (Resourcen) vorhanden sind. Er vertritt dagegen die Haltung, daß immer, wenn ein anderer gewinnt (einen Job, einen Vertrag, einen Preis etc.), man selbst verliert. Sehr ihr die Welt so? Wenn ja, dann seid ihr echt arme Schweine.

Was mich an der Sache, neben der oft seltsamen Mischung aus Banalität und Schwachsinn in euren Ratschlägen, am meisten fuchst, ist eure Geisteshaltung. Die stinkt nämlich unheimlich nach protestantischer Ethik. Genauer gesagt nach der sogenannten innerweltlichen Askese, die schon Max Weber in “Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus” als eine der Grundlagen der auf Profit beruhenden Ethik des Kapitalismus bezeichnet.

Versteht mich nicht falsch liebe Freunde der Selbstausbeutung: Ich arbeite gerne, sehr sogar. Vor allem, wenn ich Dinge tun kann, die ich mag. Ich mache das so gerne, daß ich daraus einen Beruf gemacht habe. Ja genau, den Technology Scout. Aber ich kann den work hard-Schwachsinn einfach nicht mehr hören.

Und um noch mal auf die Idee mit dem 2h früher Aufstehen zurückzukommen: Ja, die ist echt, das hab ich so irgendwo gelesen. Ob den anderen Lesern der Tips nicht in den Sinn kam, daß sie damit ihre Freizeit am Abend kannibalisieren? Weil irgendwoher müssen die verdammten zwei Stunden ja kommen, entweder man geht früher ins Bett (sic!) oder man schläft zwei Stunden weniger. Letzteres könnte ein Grund für eure somnambulischen Vorschläge sein.

Nichts für ungut: Geht ihr weiter eurem Geschäft nach, das daraus besteht, anderen Leuten einzureden, daß sie sich nur nicht genug anstrengen, um mehr Erfolg, mehr Geld, mehr Freunde, mehr Zeit, mehr IRGENDWAS zu bekommen. Ich werde eure Ratschläge weiterhin ignorieren und euch immer dann, wenn ich denke, daß ihr den Menschen schadet, die euch da gerade zuhören, Paroli bieten. Es könnte allerdings sein, daß es je nach Schwere eures verzapften Unsinns nicht bei einem offenen Brief bleibt. Dann sehen wir uns wohl mal persönlich.

Ich freu mich schon drauf.

Viele Grüße,
euer Volker

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Die ex-GEZ und der Meldedatenabgleich

Viele von uns haben bzw. werden in nächster Zeit Post von der Behörde formerly known as GEZ bekommen. Darin wird man unter Androhung von Zwangsmaßnahmen aufgefordert, bekannt zu geben, ob und wenn ja wie man bereits seine “Empfangsgeräte” angemeldet hat. Dabei liegt ein ein Rückumschlag, der im Briefmarkenfeld mit “Bitte ausreichend freimachen” und über der Adresse des Beitragsservice mit “Antwort” beschriftet ist.

Wer sich über die GEZ bzw. ihre Nachfolgemaf^h^h^hbehörde auch so ärgert wie ich, kann den Umschlag zwar beantworten, aber ohne Frankierung in den Briefkasten werfen. Denn die oben erwähnte Beschriftung bedeutet, daß im Zweifelsfall der Empfänger das Porto zahlt. Auch wenn der Text im Briefmarkenfeld etwas anderes sagt. Hier ist man ja eher an die freundliche Formulierung gewöhnt “Bitte freimachen, falls Marke zur Hand”.

Laut Deutscher Post ist aber auch der “Bitte ausreichend freimachen” Text in Verbindung mit der Beschriftung “Antwort” eine Deklaration als Werbeantwort. Neben dem Porto selbst werden dabei übrigens 6 Cent sogenanntes Werbeantwortentgelt fällig :)

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Besuchen Sie unsere Heimatseite im Datenverbundnetz

Es handelt sich um ein ewiges Aufregethema für die einen und einen wahnsinnig alten Zopf für die anderen. Und irgendwie ist es beides gleichzeitig: die zwanghafte Eindeutschung von längst etablierten Fachbegriffen bzw. Lehnwörtern. Einen absoluten Vogel dabei hat sicherlich ein Moderator des Radiosenders WDR3 abgeschossen, der gern auf die Webseite des WDR im Internet hinweist mit den Worten:

“Besuchen Sie unsere Heimatseite im Datenverbundnetz.”

Dazu muß man anmerken, daß der Begriff “Heimatseite” nicht falsch ist, nur etwas krachledern und völlig ungebräuchlich. Der Ausdruck “Datenverbundnetz” ist dagegen schlicht falsch, weil im Antik-IT-Deutsch bezeichnet man damit so etwas wie ein VPN, als die von der Öffentlichkeit getrennt vernetzte Welt einiger oder auch vieler Server.

Und jüngst, nämlich heute, las ich in einem Blog den Ausdruck “Email-Abbinder” als Ersatz für das Wort Signature oder Signatur.

Leute, jetzt mal im Ernst: das sieht nicht nur lächerlich aus, es wirkt auch sehr piefig. Und ihr riskiert, daß man euch schlicht weg nicht versteht.

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eCommerce aus dem letzten Jahrhundert

Ich habe diese Woche einige Komponenten für einen HTPC (Home Theatre PC) bei einem süddeutschen Elektronikversand bestellt. Ich bin Neukunde bei diesem Händler, habe mich registriert und im Vorhinein Einzugsvollmacht erteilt. Dann habe ich für knapp über € 260,- Hardware bestellt und als Zahlungsart “Bankeinzug” gewählt. Die Bestellung wurde akzeptiert und ich erhielt eine Bestellbestätigung.

Am nächsten Tag meldete sich eine Kundenbetreuerin bei mir per Mail und einen Tag später auch noch per Briefpost, mit dem Anliegen, daß ein Betrag von € 260,- nicht per Bankeinzug verrechenbar sei. Ob das nur für Neukunden gilt oder insgesamt, konnte ich dem Text nicht entnehmen. Man bot mir Nachnahme und Paypal an. Ich habe dann zurück gerufen und um Zahlung per Paypal gebeten. Man sagte mir dann, ich würde eine EMail erhalten mit einem Link zu Paypal. Die EMail ließ dann noch einen Tag auf sich warten. Ich habe dann prompt bezahlt und hoffe nun auf eine halbwegs schnelle Lieferung.

Das ist ein allgemeines Bild, daß ich sehr häufig bei alt eingesessenen Versendern sehe, die “auch im Web” aktiv sind:

  1. Die Reaktionszeit auf die Bestellung und jede  weitere Kommunikation ist viel zu lang. Ich vermute, Mails werden einmal am Tag versandt.
  2. Die Kommunikation ist nicht transparent und eindeutig. Aus dem Anschreiben war nicht ersichtlich, ob die Betragsgrenze für Bankeinzug einmalig für Neukunden gilt oder generell.
  3. Der Webshop kann auf bestimmte Dinge, wie einen speziellen Kundenstatus nicht reagieren. Er nimmt die Bestellung an, obwohl mir eigentlich “Bankeinzug” als Zahlungsart nicht angeboten werden sollte.

Gerade Punkt 3 finde ich sehr erstaunlich. Bei Landsend, einem Outdoormodeversand mit langer Tradition (in den USA seit den 1960er Jahren im Geschäft) ist bzw. war es so, daß man Rabattcodes oder Sonderaktionen (“bei Kauf von 3 T-Shirts gibt es X% Rabatt”) einfach nicht abbilden konnten. Da wird/wurde immer der volle Auftragswert angezeigt mit dem fetten Hinweis evtl. Gutscheine oder Rabatte wären erst auf der dem Paket beiliegenden Papierrechnung zu entnehmen.

Zu Punkt 1: Ich habe schon mal erlebt, daß ich als Auftragsbestätigung eine Mail bekam, in der stand, dies sei keine Auftragsbestätigung, da meine Bestellung erst noch von einem (menschlichen) Sachbearbeiter kontrolliert werden müsse. Ich kenne keinen Grund, der das nötig machen würde, daß ein Mensch jede Bestellung kontrolliert, wenn (!) die Regeln für Versand und Zahlung korrekt eingerichtet sind und eine vernünftige Anbindung für die Warenwirtschaft existiert.

Leute, so geht das nicht. Nahezu alle Webshops können Zahlungsarten oder Versandarten (“keine Packstation für Erstbesteller”) abbilden, man muß es nur einbauen. Wenn der Shop das nicht kann, ist der den Platz auf der Festplatte nicht wert!

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Cicero: Den Politikern ins Gebetbuch geschrieben

Cicero, Definition eines Staates, aus “De Re Publica”, Buch 1, Kapitel 39:

“Est enim, inquit Africanus, res publica res populi,
populus autem non omnis hominum coetus quoquo modo congregatus,
sed coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione sociatus.”

Es ist nämlich, sagte Africanus (Scipio der Jüngere, genannt Africanus wegen seiner Erfolge in Afrika), der Staat eine Sache des Volkes, das Volk jedoch nicht einfach so eine irgendwie zusammen gewürfelte Ansammlung von Menschen, sondern ein Zusammenschluß vieler mit gleichem Rechtsverständnis und Gemeinsinn.

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Singer-Songwriter Developer

Ich muß gestehen, mit den meisten Singer-Songwritern habe ich ein Problem. Diese “ich brauche nur mich und meine Gitaharre!” Einstellung führt meines Erachtens oft zu dürftigen Resultaten. In einer sehr hitzigen Diskussion gestern fiel mir auf, daß es eine ähnliche Einstellung bei Entwicklern gibt. Gestern führte meine Nachfrage nach MacOS TextEdit auf Twitter innerhalb 2 Sätzen zur Unterstellung mittelschweren Trolltums.

Wenn ich einen Schritt zurück trete und finde ich persönlich 3 historische Phasen:

  • Ganz früher nutzte man die Tool Chain, die das jeweilige System bot.
  • Dann kam die Zeit, als es cool wurde, möglichst komplexe Tools zu verwenden, quasi ein digitales Gear Acquisition Syndrome. Die großen IDEs stammen fast alle aus dieser Epoche.
  • Momentan beobachte ich einen Trend, daß man auf möglichst primitive, meist im Lieferumfang der jeweils benutzten Plattform enthaltene Tools setzt, um relativ komplexe Aufgaben zu lösen.

Während so an und für sich gegen keinen der Trends etwas zu sagen ist (soll doch jeder die Tools nutzen, mit denen er produktiv ist), geht die eigene Einstellung bei IT technisch vorbelasteten Zeitgenossen oft mit einer sehr speziellen Form des Egozentrismus einher, der postuliert, daß der eigene Weg der einzig wahre ist. Man suhlt sich quasi in der Freude über die eigene Askese.

Ein Gutes hatte das Gespräch gestern: ich schreibe ein Posting drüber und denke noch mal drüber nach … nur in der anderen Reihenfolge. Ich plädiere hiermit für mehr Selbstreflexion!

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Why you should not deploy web applications with unix packaging tools

Packaging and deploying web applications, e.g. PHP apps, can be a very tough topic. One way to deal with automatic deployment and dependencies is to use the packaging tools your unix server supplies, e.g. debian *.deb packages. This approach has indisputable benefits:

  • it manages dependencies
  • it’s possible to manage the deployment process on several servers automatically
  • there is a complete existing infrastructure for this task

But (you knew that would come, didn’t you?): packaging systems like the one used on debian are targeted to control that the package is installed in exactly one version (certainly not always, we’ll come to that later on) in one defined place. Igf we use multiple versions of the same software, it’s version number will define where they will be installed. You get a version tree like:

/usr/local/lib/…
…/applib-1.1/
…/applib-1.2/
etc.

Most system packaging tools also allow you to specify a prefix where to install the package. But altogether its a special tool for a special task.
Using it for web application deployment looks like the “if all you know is a hammer, every task looks like a nail” paradigm. You can accomplish the tasks needed but you have to modify the standard processes very much.
For example I would like to be able to install exactly the same software twice on exactly the same machine. And yes I absolutely definitely want to have two times the same version of the code in different locations. Here the notion of the packaging systems paradigm of a “system” as a whole server and not a virtual host or any other subdivision of a system is in the way.
I prefer to use build systems like phing, ant or make to wrap up things. Especially phing in combination with DbDeploy is a very comfortable way to do things you don’t want to handle manually in the PHP universe.

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Ellenbogen

Freitag mußte ich mit einem Rezept in die Apotheke. Da ich grad relativ schlecht laufen kann (meine Frau behauptet, ich sähe aus wie meine 85-jährige Mutter …) humpelte ich also zum Apothekeneingang, als ich sah wie von seitlich bzw. eine Dame im Laufschritt nahte und sich unter Einsatz ihrer Ellenbogen versuchte Platz in der Apothekentür zu machen. Da ich aber relativ massiv gebaut bin gelang ihr das nicht und sie stand schimpfend und pöbelnd in der Schlange vor der Theke hinter mir.
Als dann der magische Ruf erscholl: “Wer ist der Nächste?” stieß sie mich abermals zur Seite, verkündete, sie sei jetzt dran, da ich sie im Eingangsbereich ja so frech angerempelt hätte und reichte an mir vorbei das Rezept nach vorne. Da ich ganz stur vor ihr stehen blieb, blieb ihr nichts anderes übrig, als sich “in der zweite Reihe” bedienen zu lassen. Beim Verlassen der Apotheke moserte sie dann noch rum, ich benähme mich, als gehöre mir die ganze Apotheke. Ich war verständlicher- aber auch unsinnigerweise sauer.
Da schaute die Apothekerin kopfschüttelnd hinter ihr her und meinte: “Hormonschwankungen, oder was??” und ihre Kollegin ergänzte: “… oder die hat schon länger keinen Freund mehr!” und die beiden mußten sich vor Lachen aneinander fest halten. Girls, you made my day :)

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Hume’sche Verrückte

Bei Diskussionen, vor allem im Internet, auf Twitter oder in ähnlichen Medien, treffe ich immer wieder auf Menschen, die in einer komplett eigenen, in sich geschlossenen und logischen Welt leben, die aber für Menschen von “außerhalb” meist völlig absurd wirkt.

Nassim Taleb hat dafür den Begriff “Hume’sche Verrückte” geprägt: Menschen, die in einem in sich komplett logischen und völlig konsistenten Universum leben, das aber nichts mit der tatsächlichen Realität zu tun hat.

Wenn man mit solchen Menschen diskutiert, stellt man irgendwann fest, daß man sich argumentativ im Kreis dreht. Es werden Argument mit einer Inbrunst präsentiert, die sagen soll: da, sieh her, jetzt muss das auch dir einleuchten. Und als Gesprächspartner denkt man nur: was hat das alles mit dem eigentlichen Thema zu tun?

Wie man solche Situationen für alle Seiten zufriedenstellend löst weiß ich (noch) nicht. Ich weiß aber aus Erfahrung, was nicht hilft:

  • weiter diskutieren
  • sie auf das Thema “Hume’sche Verrückte” ansprechen

Vielleicht gibt es eine Lösung, die ich noch nicht kenne? Oder vielleicht bin ich der, der in einem völlig hermetischen Paralleluniversum lebt?