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Neuer Wein in alten Schläuchen

Heute morgen las ich in der Frankfurter Sonntagszeitung vom letzten Wochenende (ja, ich komme nie dazu, eine Sonntagszeitung wirklich durchzulesen, das mach ich den Rest der Woche) ein Interview mit Thomas Vollmoeller, dem Vorstandsvorsitzenden von Xing. Darin wies er eindringlich darauf hin, wie sehr sich die Arbeitswelt geändert habe und noch ändere. Stellenbewerber hätten heute ganz andere Möglichkeiten als früher. Das erfordere auch von Firmen- oder Personalchefs ein anderes Daseinsmodell. Er zitierte hier den so oft strapazierten, aber ausnahmsweise mal angebrachten Begriff des Paradigmenwechsels.

Der Chef 2.0 soll Mitarbeitern morgens einen Grund zum Aufstehen und zur Arbeit gehen geben. Man müsse eine gemeinsame Aufgabe und Auffassung von dem, was man da tue entwickeln. Ihr seht schon, ich vermeide bewußt – so wie Vollmoeller – den Begriff ‘Vision’. Allerdings könne ein Mitarbeiter nur dort einem Firmenchef oder Vorgesetzter vertrauen, wo dies auf Gegenseitigkeit beruhe. An der Stelle schweiften meine Gedanken etwas ab, weil ich schon den Eindruck habe, daß sich da in den Chefetagen etwas bewegt hat. Ich bin bzw. war ja auch mal Chef und hatte eigene Mitarbeiter. Und habe ähnlich darüber gedacht wie er. Und ich habe aus vielen Firmen, in denen ich als Berater tätig war den Eindruck, daß das mit der Gegenseitigkeit noch nicht so recht funktioniert.

Ich kenne sehr viele Mitarbeiter, vorwiegend in IT Firmen, weil ich dort meist tätig war, die sich zwar über mangelndes Entgegenkommen ihres Chefs beschweren, aber selbst noch das “Wir gegen Die” Szenario im Kopf haben. Ich meine diese klassische Sicht von Gewerkschaften auf Firmen als das Böse schlechthin, daß dem Mitarbeiter die Lebenskraft aussaugt und dem man mit Blut und Schweiß einen Obulus abtrotzt. Ich weiß, daß ich hier maß- und hemmungslos übertreibe. Ich wollte das Bild möglichst bunt malen ;)

Natürlich kann man sich jetzt fragen, wie sehr die defensive Einstellung der Mitarbeiter auf Enttäuschungen mit dem Unternehmen beruhen. Und man sollte nicht aus dem Auge lassen, daß Firma und Mitarbeiter natürlich nicht alte Freunde sind, denen man blind vertrauen kann. Ich denke, ein Stück weit sind schon bestehende Arbeitsverträge das Problem. In neuen Verträgen kann man flexible Modelle aushandeln und dann eben auch deren Spielregeln festlegen. Alte klassische Arbeitsverträge als Grundlage flexibler Mitarbeiter zu sehen, die ein Stück weit für ihre Firma unternehmerisch denken, ist wohl etwas schwierig.

Und wenn man die neuen Arbeitsplatzregeln des Gesetzgebers liest, stellt man fest, daß die zwar dem Schutz der Mitarbeiter dienen sollen, aber eben auch exakt Null Flexibilität enthalten. Da sollen Arbeitszeiten immer und auf jeden Fall erfaßt werden. Das ist gut, weil es viele Menschen gibt, die ohne eine solche Kontrolle (wie effektiv die ist, sei mal dahin gestellt) von ihren Unternehmen oder sogar sich selbst, regelrecht ausgebeutet werden. Firmen wie Best Buy in den USA, die das “ROWE” (result oriented work environment) Prinzip eingeführt haben, sucht man trotz guter Debattenbeiträge wie den des geschätzten Autors Markus Albers leider in Deutschland meist immer noch vergeblich.

Ich kenne allerdings Unternehmen, die eine, man möchte sagen typisch deutsche, Mittelweglösung gefunden haben: dort gibt es eine Arbeitszeiterfassung. Aber da tragen die Mitarbeiter selbst ihre Zeiten ein. Ob die Werte richtig sind, kontrolliert im Normalfall niemand. Ich gehe mal davon aus, daß jemand, der täglich 8h einträgt, aber nie im Haus ist, schon auffallen würde. Die Zeiten, die da nachher in Summe heraus kommen pro Monat, interessieren weitestgehend auch niemanden. Problematisch wird das an der Stelle nur, wenn diese Stundenkontingente als Basis für die Abrechnung von Kundenprojekten benutzt werden. Das funktioniert an der Stelle nur, wenn der Kunde dem Unternehmen als Dienstleister ein gewisses Vertrauen entgegen bringt.

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Das Problem mit Prognosen …

Erst neulich las ich in einem niederländischen Wirtschaftsmagazin einen Artikel über Lynda Gratton, die angeblich (und das meine ich nicht abwertend, ich kenne sie schlicht nicht) zur Weltelite der HR Führungskräfte gehört. Diese machte Furore mit einer Publikation über die Ergebnisse einer Umfrage, die sie gemacht hatte, um heraus zu finden, welche Veränderungen klassisches Management in den nächsten 30 Jahren zu erwarten hat.
Also erst einmal finde ich es erstaunlich, daß sie aus einer Momentaufnahme Forecasts mit einer Reichweite von 30 (!) Jahren machen kann. Alle bisherigen Versuche in Wirtschaft und/oder Wissenschaften Voraussagen über einen längeren Zeitraum als einige wenige Jahre zu machen, sind gescheitert. Aus dem Jetzt auf das noch nicht entdeckte oder realisierte zu schließen ist schlicht weg unmöglich.
Was mich aber mindestens genau so schockiert ist die Auswahl der Interviewpartner für die Befragung und damit ja auch die Datenbasis für ihre Voraussagen: 200 Top Manager aus ca. 45 bekannten Großunternehmen. Seit ich Nicolas Talebs Buch “Der schwarze Schwan” gelesen habe, fallen mir solche Dinge häufiger auf.
Es gibt bei statistischen Aussagen einen methodischen Fehler, den man meist gar nicht sieht, und der schleicht sich mit der Auswahl der überhaupt in die Statistik einfließenden Daten ein. auch wenn in der hier betroffenen Umfrage vielleicht gar keine Statistik im eigentlichen Sinne betrieben wird, handelt es sich um das Sammeln und Gruppieren von Daten.
Wenn ich also aus den Meinungen einiger weniger Top Manager großer Konzerne meine Trends in Management und Arbeitswelt im allgemeinen ableiten möchte, vernachlässige ich dabei all die kleinen und mittleren Unternehmen und die Einzelunternehmer bzw. Freelancer. Deren Arbeitswelt sieht jetzt schon anders aus als die der großen Unternehmen und wird sich auch in Zukunft wohl in eine völlig andere Richtung entwickeln. Und ihr Anteil am Gesamtwirtschaftsvolumen wächst nach allen mir bekannten Statistiken (ja, da sind sie wieder …).
Man kann also eigentlich sagen, daß die Ergebnisse der Umfrage nicht das Wirtschaftsleben der Zukunft wieder spiegeln sondern das eines evtl. kleiner werdenden Anteils der wirtschaftlich tätigen Menschen. Komisch oder? Jetzt interessiert mich das Ergebnis der Umfrage eher noch weniger …